Linz, Tirschenreuth (Oberpfalz), April 2019 – Es ist ein sperriger Begriff, hinter dem sich eine patentierte Weltneuheit im Straßenbau verbirgt: Die so genannte „Geteilte Oszillationsbandage“ erhöht die Verdichtungsqualität von Straßenwalzen deutlich. Dabei werden die zwei auf einer Achse arbeitenden Walzen – die sogenannten „Bandagen“ – getrennt voneinander zum Oszillieren gebracht. Präsentiert wurde die Innovation erstmals auf der Branchenmesse Bauma (8. bis 14. April in München). Gebaut wird die neuartige Walzengeneration von der Hamm AG. Die Linz Center of Mechatronics GmbH (LCM) hat als Entwicklungspartner dafür gesorgt, jene beiden Motoren zu synchronisieren, welche die Oszillation der geteilten Walze darstellen. Gelungen ist das einmal mehr mit einem digitalhydraulischen Ansatz, der im gemeinsamen Antriebskreislauf die nötige Verteilung des Volumenstroms erzeugt und aufgrund der synchron schwingenden Bandagen damit perfekte Ebenheit der bearbeiteten Fahrbahn ermöglicht.

„Gleichgerichtetes Schwingen der beiden Bandagenhälften ist nötig, um die volle Leistung in den Untergrund übertragen zu können und um Risse im Asphalt im Bereich des Bandagenspaltes zu vermeiden“, erklärt Projektleiter Peter Janner, Hamm AG. Mit rund zehn Tonnen Betriebsgewicht bringen Tandemwalzen – gewissermaßen die Schwerathleten des Straßenbaus – bereits deutliche Flächenlast auf den Untergrund auf. Um die Verdichtungsleistung aber noch weiter zu erhöhen, wird die Bandage zum Vibrieren oder Oszillieren gebracht. Während bei der Vibration eine zentral gelagerte Unwuchtwelle die Bandage in eine Kreisbewegung zwingt, erzeugen bei der Oszillation zwei außermittig gelagerte, gleichsinnig drehende Wellen die typische Oszillationsbewegung der Bandage. Dabei werden die Verdichtungskräfte tangential eingeleitet. Das sorgt selbst bei niedrigeren Asphalt- bzw. Umgebungstemperaturen für eine homogene, ebenflächige Fahrbahn sowie dichte Nähte und schont außerdem Fahrer, Maschine und umliegende Gebäude durch reduzierte Schwingungen.

Bildcredits: Linz Center of Mechatronics GmbH

Bildcredits: Linz Center of Mechatronics GmbH

Patentierte Weltneuheit

So einfach das Wirkprinzip einer oszillierenden Walze ist, so anspruchsvoll ist die Synchronisation der geteilten Bandagen. Selbst wenn die Unwuchtwellen in den zwei Bandagen von komplett baugleichen Motoren hydraulisch angetrieben werden, arbeiten diese systembedingt niemals exakt synchron. „Unabhängig davon müssen bei Lenkbewegung und Kurvenfahrt die Drehzahlunterschiede an den Bandagen mit einer Angleichung der Drehzahl der Unwuchtwellen kompensiert werden, um das synchrone Schwingverhalten beizubehalten“, sagt Peter Janner. „Um die optimale Verdichtungsqualität zu erreichen, ist aber genau das notwendig“, umreißt LCM-Geschäftsführer Gerald Schatz jene Herausforderung, mit der sein Entwicklungsteam im Frühjahr 2016 konfrontiert wurde.

Stabiler Kreislauf als Ziel

Als Basis für den regelungstechnischen Ausgleich der Druckniveaus und der daraus resultierenden Phasenverschiebung wurden die Daten aus zwei Beschleunigungssensoren an der linken und rechten Bandagenaufhängung herangezogen. Um daraus tatsächlich solide Informationen gewinnen zu können, mussten diese Messsignale in aufwändigen Filterprozessen zuerst entsprechend aufbereitet werden. Nach einer eingehenden Analyse am Produktionsstandort von Hamm und Vorversuchen in den eigenen Labors stand für die Hydraulikexperten von LCM schnell ein Lösungsansatz fest: Da beide Motoren im gleichen Hydraulikkreislauf angetrieben werden, musste eine Möglichkeit geschaffen werden, einen Motor so zu drosseln, dass die Drehzahl exakt an den anderen angepasst werden kann. „Für diese Aufgabe ist die Digitalhydraulik bestens geeignet“, erklärt Bernd Winkler, Business Area Manager Drives bei LCM. Nur Digitalventile erlauben es, robust, energieeffizient und günstig selbst so geringe Volumenströme 50 Mal pro Sekunde – also alle 20 Millisekunden – anzupassen.

Übererregung als Turbo für Ventile

Diese kurze Reaktionszeit ist nur unter perfekten technischen Voraussetzungen möglich. „Man muss die Ventile übererregen, also mit einer höheren Spannung ansteuern. Im konkreten Fall mit 24 statt mit 12 Volt“, präzisiert Andreas Plöckinger, Team-Leader „Hydraulische Antriebe“. Da das zwar mit der LCM-Boost-Elektronik, nicht jedoch mit der Hamm-Bordelektronik möglich war, produzierten die Linzer Hydrauliker im hauseigenen 3D-Drucker eine Spezialmagnetspule für das Hydraulikventil. Als besonderer Glücksfall erwies sich schließlich, dass ganz ähnliche Spulen bereits als Serienprodukt am Markt erhältlich sind. „Da unsere Tests erfolgreich waren, können die Ventile mit der bereits vorhandenen Bordelektronik, dem gemeinsam entwickelten Softwaremodul und den kostengünstigen Spulen betrieben werden“, betont Plöckinger. „Das ist für Hamm die technologisch und wirtschaftlich optimale Lösung.“

Vorserie nach zweijähriger Entwicklungsarbeit

Nach ausgiebigen Tests am eigenen Firmenareal produzierte Hamm bereits im Frühjahr 2018 die ersten Vorserien. Im April 2018 gingen die ersten Maschinen an Testkunden. Nachdem alle diese Probeläufe sehr positiv verlaufen waren, stand der öffentlichen Präsentation auf der diesjährigen Bauma nichts mehr im Wege. Dort konnten die Kunden die patentierte Innovation aus der Nähe betrachten, das Prinzip mit anschaulichen Animationen nachvollziehen und sich über die Vorteile informieren. Durch Einsatz der Digitalhydraulik können sich noch viele weitere interessante Einsatzbereiche ergeben. „Mit der neuen Technologie schafft man nicht nur eine exakte Synchronisation der beiden Bandagen“, erklärt Bernd Winkler. „Man kann natürlich auch eine erwünschte Phasenverschiebung genauestens regeln, um bisher nicht mögliche Verdichtungseffekte zu erzielen.“

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