Regelung flexibler Strukturen

Handhabungssysteme müssen möglichst schnell vom Ausgangsort zum Zielort verfahren. Der Einsatz von Leichtbaukonzepten hilft Systemen schneller zu werden, da die Reduktion der bewegten Masse auch den Energiebedarf für Beschleunigung und Abbremsung der Masse reduziert. Oft steigt durch die Gewichtsreduktion der Konstruktion auch deren Schwingungsneigung. Der LCM Demonstrator präsentiert anhand des Beispiels eines hoch schwingungsfähigen Systems wie flexible Strukturen exakt bewegt werden können.

Aufgabenstellung

Die präzise Bewegung eines flexiblen Auslegers entlang einer vorgegebenen Bahn ist bei hochdynamischen Bewegungen keine einfache Aufgabe. Die Herausforderung besteht in der Vermeidung von Schwingungen, sowie die Sicherstellung einer entsprechenden Robustheit. Wie im Video dargestellt gelingt dies mit üblichen Regelungskonzepten nicht mehr in der gewünschten Form. Mittels moderner Methoden können Elastizitäten der mechanischen Struktur jedoch berücksichtigt, Schwingungen vermieden und Bewegungen noch schneller durchgeführt werden.

Regelungskonzept

Das verwendete modellbasierte Regelungskonzept basiert auf der 2-Freiheitsgrad Struktur. Dabei wird eine Vorsteuerung (flachheitsbasiert) mit einer Regelung (passivitätsbasiert) kombiniert. Auf Basis eines Modells berechnet die Vorsteuerung die benötigten Antriebsmomente für die gewünschte Bahn. Stimmt das verwendete Modell mit dem realen System überein, ergibt die Aufschaltung dieser Antriebsmomente eine schwingungsfreie Bewegung. In der Realität gibt es jedoch immer Modellunsicherheiten und Ungenauigkeiten. Durch den Einsatz eines Reglers lassen sich diese kompensieren. Dabei braucht der Regler nur mehr die Abweichungen zwischen verwendetem Modell und Realität ausgleichen. Die Vorsteuerung vermeidet somit Schwingungen durch die direkte Berücksichtigung der Elastizitäten, während die Regelung Restschwingungen aufgrund von Modellunsicherheiten (wie z.B. Reibung) kompensiert und somit die gewünschte Robustheit sicherstellt.

Digitaler Zwilling

Ein virtuelles Abbild des Handhabungssystems, ein sogenannter digitaler Zwilling, läuft parallel zum realen Aufbau in Echtzeit auf einem Industrie-PC. Die verwendete Mehrkörper-Simulationssoftware HOTINT garantiert hierbei die präzise Wiedergabe der realen Systemdynamik. Dies erlaubt eine virtuelle Inbetriebnahme bei der es zu einer direkten Kopplung der Automatisierungshardware mit dem digitalen Zwilling kommt. Der Vorteil der Methode der virtuellen Inbetriebnahme ist, dass somit das finale Automatisierungssystem (Soft- und Hardware) direkt getestet und vorab optimiert werden kann. Dadurch kann nicht nur das Inbetriebnahmerisiko, sondern auch die Inbetriebnahmedauer an der realen Anlage wesentlich reduziert werden.

Aufbau des Demonstrators

Der Demonstrator wurde mit Standard-Industriekomponenten aufgebaut. Die für die Regelung notwendigen Messgrößen beinhalten die Positionen und Geschwindigkeiten der beiden Achsen. Neben diesen heutzutage meist standardmäßig verfügbaren Größen werden zusätzlich die Signale von Dehnmessstreifen genutzt. Diese sind in der Nähe der Einspannung des flexiblen Auslegers angebracht und erlauben die Berücksichtigung des Einspannmoments in der Regelung. Der in der Abbildung erkennbare Laser-Distanzsensor wird lediglich für die Überprüfung der Genauigkeit, mit der die gewünschte Bewegung realisiert wird, verwendet.

Resultate und Nutzen

Wie im Video präsentiert, erlaubt das vorgestellte Regelungskonzept die präzise Realisierung hochdynamischer Punkt-zu-Punkt Bewegungen. Ein Vergleich von vorgegebenen Bahn und gemessener Bahn ist in Abbildung 2 dargestellt. Neben der ausgezeichneten Genauigkeit, kann durch die nahezu schwingungsfreie Bewegung die Verfahrgeschwindigkeit zusätzlich erhöht werden. Gegenüber einer konventionellen Regelung wird so die Punkt zu Punkt Übergangszeit um 32 % reduziert.

Factbox
  • Hochflexibler Ausleger mit einer Länge von 0.5 m (Querschnitt 18×0.45 mm) mit einer statischen Durchbiegung von 0.18 m
  • Direkte Berücksichtigung der Elastizität des Auslegers im Regelkonzept
  • Präzise Positionierung trotz hoher Reibung der spindelgetriebenen Linearachsen
  • Flachheitsbasierte Vorsteuerung mit passivitätsbasierter Regelung für eine schwingungsfreie und hochdynamische Punkt zu Punkt Bewegung
  • Digitaler Zwilling
  • Kürzere Verfahrzeiten – Punkt zu Punkt Bewegung um 32 % schneller